#2.Ess.struktur

6:30 Uhr

Ich wache morgens auf und frage mich, warum nicht einfach alles normal ist. Warum ich nicht einfach Essen kann, wenn ich hungrig bin – warum Essen emotional so vielschichtig besetzt ist – warum ich nicht einfach den Schalter in mir umlegen kann, damit ES gut wird.

Ich bin ein kognitiv veranlagter Mensch. Weiß um Nährwert-Energie-Relation. Um Energieumsatz und den Zusammenhang, das Leben Energie kostet. Ich habe das studiert! Und wenn ein Organismus mehr Energie bekommt, als er verbraucht, wird sie eingelagert. Mir ist bewusst, dass der Körper in stressvollen Zeiten deutlich mehr und andere Energie benötigt, als wenn alles leicht läuft. Der Grundgedanke, das insbesondere traumatische Ereignisse für ein Organismus als extrem Stressbeladen wahrgenommen werden, kann ich nachvollziehen. Das dann von der Amygdala auf die drei Fs umgeschaltet wird ebenso. Das mich das anschaltet nicht.

Nicht begreifen kann ich, was das Ganze mit mir zu tun hat? Ich bin immer isoliert. Immer einzeln. Nicht traumatisiert. Agiere dann, wenn niemand mehr da ist. Fühle ich mich schlecht dabei? Nein – ich bin es gewohnt, schnell und logisch zu handeln. ICH könnte einfach den Schalter umlegen – und würde den Körper schnell auf Spur bringen.

Aber ich darf nicht.

Weil ich nicht alleine entscheide. Weil ich immer nur da bin, wenn….. ja wenn? Wenn das Schiff schon im Sumpf steckt. Also letzte Barriere vor dem Exitus. Das letzte Stopschild. Weil ich nie soviel Zeit bekomme, um deutliche Veränderungen zu bewirken. Weil ich immer nur die Sicherung bin – Sie lassen mich nicht. Also lasse ich sie jammern. Und sich selbst fertig machen.

Sie lassen mich ja nicht.

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Barriere freier

Wir haben in den letzten Monaten viel über unser Blog nachgedacht. In welche Richtung soll es sich hin entwickeln? Soll es sich überhaupt entwickeln? Hören wir lieber ganz auf?

Nein- wir hören nicht auf! – denn wir möchten UNS im reinen Wortsinn eine Stimme geben. In unser eigenen Lebensrealität erleben wir öfterns, dass uns gesprochene Worte auf einer anderen Ebene erreichen können, als das geschriebene Wort. Dem möchten wir nun in unserem Blog gerecht werden, indem wir unsere Texte auch in einer kleinen Sprachversion anbieten.

Wir sind gespannt, wohin uns diese Reise führen wird!

Wir hören uns!

Und hier die dazugehörige Audiodatei

Verzeit uns bitte unsere große Aufregung! Es wird sich weiter entwickeln!

Wir werden nach und nach (wenn es uns möglich ist) auch alte Texte vertonen – hört einfach rein.

4#Körper

10 Monate später:

Als Person, die in gewaltvollen, Dissoziation fördernden, Gefühle negierenden Umfeldern groß geworden ist, ist die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper ein existentieller Schritt. Unsere bisherigen Erfahrungen mit Körperlichkeit waren schmerzhaft, qualvoll, nicht zu uns gehörig und in den allermeisten Fällen für uns nicht existent – für unseren Körper blieben wir jedoch immer da. Er konnte uns nicht wegdenken. Und er hat seine eigene Sprache gefunden, um sich mitzuteilen.

Seine Mitteilungen sind für uns im Alltag oft schmerzhaft. Wir bemerken Kopfschmerzen, Sehstörungen, Schmerzen im Bewegungsapparat und diverse systemische Erkrankungen des Magen-Darm Traktes. Diese Attacken sind oft gekoppelt an innere Personen – an Spannungszustände – an triggernde Situationen. Oft gleicht unser Leben in der Schmerzvermeidung einem Eiertanz – ist eine „Baustelle“ besänftigt, können wir sicher sein, dass bald die Nächste wieder aufplopt.

Wir hatten hier über unser Laufverhalten geschrieben. Jetzt – nachdem ich diesen Text nach zehn Monaten noch einmal lese, berührt er mich ganz eigentümlich. Ich lese eine Verletzlichkeit, die mir damals nicht bewusst war. Und auch Mut – Mut, neue Wege zu gehen.

Wir sind damals losgegangen – in doppeltem Sinne. Das Spüren des eigenen Bewegungsapparates ist immer noch schwierig – wir haben uns eher auf theoretischer Ebene mit der korrekten Bewegung der Hüfte beim Laufen beschäftigt. Und trotzdem führte dies über die vielen Monate zu einer Veränderung – die ständige Visualisierung und unser optischer Abgleich beim Laufen vor Spiegeln schaffte neue, neuronale Bewegungsmuster. Wir können nun beim Gehen unsere Schultern entlasten. Der Schwung wird nicht mehr dort generiert, sondern dort, wo es die Natur angedachte hatte. Was für eine Erleichterung!

Parallel dazu wurde unser Zu.trauen in unsere Osteopathin stärker. Mit jedem Schritt haben wir nicht nur einen Schritt auf uns zu gemacht, sondern auch zu ihr hin. Für unseren Alltag bringt dies ein Viel an Veränderung mit sich – das Wissen, um eine heilende, vertrauensvolle Beziehung und nun die Chance, dass sie unserem Körper auch in Bereichen Unterstützung sein kann, die bisher in der Behandlung nicht angerührt werden durften.

Und auch wenn mir bewusst ist, dass wir über den kognitiven Zugang erst den halben Weg gegangen sind, bin ich zuversichtlich, dass wir unseren Weg auch noch mit Emotionen gefüllt bekommen.

Schritt für Schritt.

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Umzug

Es war IHR Wunsch gewesen, ihren Lebensmittelpunkt zu ändern. Die Konsequenzen für uns als System wurden wenig bedacht. Sagen wir! Sie sagt, dass wir nicht jammern sollen – es ist doch alles so toll geworden. Mehr Platz, mehr Natur, mehr Sicherheit, mehr soziale Zugehörigkeit.

Aber wo ist dieses „mehr“ ins UNS? Wo ist die Resonanz? Bisher finde ich in UNS nicht mehr Platz – keinen Raum für UNS. Mehr Quadratmeter – ja. Aber mehr Möglichkeiten für uns – nein. Wir sind wieder unsichtbar gemacht worden.

Wir hangeln uns an einem Alltag entlang, der nicht unser Wunsch ist. Den wir anders gestalten würde. Aber nicht können. Nicht dürfen. Aber müssten. Um UNS wieder zu finden. Vielleicht liest sie es?

Ihr Handeln ist ja nicht grundsätlich schlecht – ich verstehe sogar einiger ihrer Beweggründe. Aber es ist zu kurzfristig gedacht. Zu sehr wieder eine äußere Fassade. Die Schutz bietet – ja. Die aber auch Unsichtbar macht. UNS negiert. Ich möchte nicht mehr negiert werden. Ich möchte Raum bekommen.

Sie sagt, es braucht Zeit um sich an einem neuen Ort zu Hause zu finden. Ich denke, es baucht auch Verlässlichkeit in der Kommunikation – überhaupt Kommunikation! Es braucht Zeit für neue neuronale Bahnen – die Zuversicht, dass auch hier die Umwelt sicher ist.Tragfähig. Und es braucht von ihr mehr Fürsorge für UNS. Und auch für Sie.

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ein Weg zurück

Wenn ich schreibe, dass wir wieder „da“ sind, impliziert dies, dass wir weg waren.  Und in einem gewissen Sinne waren wir dies auch.

Ohne das wir jetzt genauer darauf eingehen möchten, ist in den letzten vielen Monaten viel Schönes und viel Schlimmes auf uns eingeprasselt, was uns ein Schreiben hier unmöglich gemacht hat.

Und die neue Datenschutzverordnung tat dann ihr übriges.

Jetzt hoffen wir, dass wir den Weg wieder zurück gefunden haben – zurück hierher und in gewissem Maße auch zurück zu einem UNS.

Und zu euch.

Liest uns überhaupt noch jemand?

liebe Grüße

zwischens

3#Körper

„Sie laufen ja gar nicht aus der Hüfte, sondern nur aus der Schulter“

Bamm

„Ja? Tue ich das?“

Nicht oft werde ich in meinem Alltag SO mit dem Viele Sein konfrontiert. Es ist da – aber es fällt in meinem strukturierten, funktionalen Tag selten vor meine Füße. SO vor meine Füße. Die Therapie ist ein solcher Ort. Und eben die Osteophatin, die uns begleitet. Die diesen für mich folgenschweren Satz gesprochen hatte, der viel in mir in Un.Ruhe gesetzt hat. „Sie laufen ja gar nicht aus der Hüfte“ …

…Hüfte…WTF??????

Nein, natürlich nicht Baby – ich habe gar keine Hüfte! Und genau das ist das Problem: meine Körperwahrnehmung endet irgendwo kurz unterhalb der rechten Schulter. Der Rest? – ja! Es ist sogar möglich nicht Wahrzunehmen, dass einem Wahrnehmung fehlt. Das ist Teil der Dissoziation.

Trotzdem erzeugten ihre Worte einen Nachhall in mir – ein Echo. Ein Echo, dass hart gegen meine inneren Grenzen stieß und grundsätzlich in Frage stellte, ob der Panzer, den ich mir die letzten Jahre um meine eigene Körperlichkeit gelegt hatte, tatsächlich noch so nützlich erscheint. Oder ob sich vielleicht doch etwas ändern darf.

Und nun sitze ich hier auf meiner Couch, mit verknoteten Beinen und grübel. Grübel über die Idee, ob jetzt vielleicht genau die Zeit gekommen ist, in der ich Hilfe von Außen annehmen darf. Ob die Idee der Hilfe tragbar und gehbbar für mich werden kann. Ob SIE verlässlich ist?

Mir wird bewusst, das es nicht nur darum gehen wird, neu laufen zu lernen – mit Hüfte. Sondern es geht um UNS – um mich. Und unsere Geschichte. Die Geschichte, in der ein kleines Mädchen sich wünscht, keinen Bauch mehr zu haben. Nie wieder fühlen zu müssen. Weg zu sein.

Und es wird in dieser Geschichte um eine Erwachsene gehen, die laufen lernen möchte.

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Sprachlosigkeit

Wie jedes Jahr ist dieser Teil des Jahres eine Zeit, die wir am liebsten einfach ausschneiden möchten.

Wir ziehen uns zurück, konzentrieren uns in einem Punkt in uns, um nicht verloren zu gehen. Es ist viel mit Schmerzen verbunden – Alten und Neuen. Macht es überhaupt Sinn, dass jetzt hier zuschreiben? Ich werde Stumm und kann doch diese Stille in mir kaum aushalten. Muss sie halten, um nicht verrückt zu werden. Muss mich aus.halten – Jahr um Jahr.  Und kämpfe mich nun zurück ins Schreiben. Möchte nicht mehr Wortlos sein. Möchte zumindest hier gegen das, was so stark an Redeverbote erinnert, auflösen. Wie Zuckerwatte. Leicht machen. Mich leicht machen.

Muss Funktionieren. Nicht nur nach Außen, sondern ganz sicher auch nach Innen. Dieses nackte, harte Skelett der Funktionalität aufrechterhalten. Auch als Fassade nach Innen, um mich nicht vollends zu verlieren. Und auch wenn sie nicht „meins“ ist – sondern von außen gemacht, bin ich froh um sie. Sie hält mich im Heute – auch wenn dieses Heute auch immer noch kaum trag.bar erscheint. Zu schmal sind unsere Schultern.

Und doch ist da dieser kleine Hoffnungs.schimmer, dass etwas anders ist. In diesem Jahr. Es ist Ende November – und ich schreibe hier!

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Allein

gefrorene Stille – blau – zerschneidet meine Worte,

Worte, die im leeren Raum stehen – Resonanz suchen – ungehört verklingen.

Allein – immer allein.

 

Kühle Leere – grün – zerschneidet mein Nichts,

Ich falle ins Unendliche – ohne Widerstand – greife

Allein – immer allein.

 

harter Schmerz – rot – zerschneidet meine Hand.

er macht das ich da bin – nur ich

Allein – immer allein.

#1Ess.struktur

Angelehnt an das Wort Dissoziative Identitätsstruktur ( statt Störung!) möchte ich etwas über meineUnsere Ess.störung schreiben.

Zum ersten Mal über diesen Begriff „Identitätsstruktur“ gestolpert, sind wir in dem Blog von @HannahCRosenblatt. Und dabei begriff ich: dieses Wort ist gut, logisch, wertschätzend und einfach eine Zustandsbeschreibung. Es fiel auf – und erfüllte mich zum ersten Mal mit dem Gedanken, dass ich kein Fehler bin. Sondern eine Bewältigungsstruktur. Nicht sinnlos – sondern mit Verstand entstanden. Als Schutz. Dies war damals unsere Arbeitsgrundlage, mit der wir unsere Therapie begonnen haben.

Nun, einige Jahre später – mit Fortschritten in innerer Kommunikation, Stressbewältigungsmechanismen und unser Annehmen des Viele seins, ringen wir immer noch mit unserer Essstörung. Sie ist komplex, viel.schichtig, Ventil, Zustandsbeschreibung, Ausdruck, Hunger, Nicht-Existenz und auch Leben. Unser Leben.

Heute kam mir zum ersten Mal der Gedanke, dass ich es vielleicht genauso machen könnte, wie damals. Sie nicht als Feind sehen. Als Zerstörer. Als Hinderer. Als die, die mein Leben einfach immer schlecht macht. Sondern einfach als die Form der Ess.struktur, die meinUnser Überleben gesichert hat. Genauso wie unsere Identitätsstruktur. Bisher scheinen die äußeren Rahmenbedingungen auch nicht so zu sein, dass eine andere Struktur möglich ist. Das ist hart, diese Erkenntnis – weil wir alleine für dieses bisschen frei.entscheitbares Leben schon so viel kämpfen mussten. Ich nach.lernen durfte.

Ich lasse den Gedanken kreisen in meinem Kopf. Warte auf Resonanz. Fühle ein Fragen und Tasten. Fühle auch Angst – wie wird es werden? Mit diesem Gedanken? Der doch so anders ist, als alles bisherige. Nicht restriktiv, Sondern Norm.neutral. Eine Zustandsbeschreibung. Mit Zuständen kennen wir uns aus. Damit könnten wir etwas anfangen.

Ess.struktur – eine Struktur ist veränderbar. Lebbar. Und ich möchte leben.

Störung

Ich bin weder ein Poet, noch geschickt mit schönen Worten. Aber ich denke in Bildern – logischen Bildern und freue mich, wenn ich in meinem Alltag Metaphern finde, die helfen. Ich wandere gerne – laufe in meinem gleichmäßigen Tempo, strecke meine Arme und Beine, die so selten tun dürfen, was ich will. Ein 1,90 m Typ hat in ihrem Leben selten Platz – nur meine KopfBilder werden gesehen. Aber das ist ok.

KopfBild der letzten Woche: die Hautverkehrsstraße, die unseren kleinen Ort mit einigen guten Spazierwegen verbinden ist gesperrt. Schon seid vielen Wochen. Sie fühlten sich amputiert – der sicheren Orte beraubt – wütend über die Einschränkung. Dann bin ich los gelaufen. Neue Wege gesucht. Sie haben Wasser.wege gefunden und einen träumenden Märchen.Rast.Platz. Und trauten sich plötzlich selber hinaus zu neuen Orten. Die auch schön sind. Nicht nur neu und bedrohlich.

Und da kam mir in den Sinn: unsere Suche nach neuen Spazierwegen ist wie ihre Suche zu sich selbst – ihrer Geschichte – ihr Umgang mit Störungen. Zuerst erschrecken sie und verharren. Dann braucht es Zeit – viel Zeit in der sie sich neu sortieren. Und dann wird zaghaft etwas Neues ausprobiert – vorsichtig, mit Neugier. Und manchmal ist auch das gut. Neues verletzt nicht immer. Bringt manchmal sogar neue Möglichkeiten.

Deshalb wandere ich weiter.